Freitag, 13. April 2012

"Komodo" - Hebamme Geschichte (2)


...  wie wir in die Zukunft blicken können, brauchen wir eine solche Gesellschaftswissenschaft. Wir brauchen sowohl etwas Philosophie als auch politische Ökonomie als auch einen „wissenschaftlichen Kommunismus“. Etwas kleiner: den „dialektischen und historischen Materialismus“. Dessen philosophischen Kern würde ich am kürzesten so beschreiben:
Alles, was existiert, ist materiell und insoweit erkennbar (nur evtl. noch nicht erkannt) und dementsprechend veränderbar. Unser Bewusstsein spiegelt das Materielle wider, verändert es aber auch dabei.
Dialektik ist eine Weltsicht in Zusammenhängen. Alles ist Gewordenes (und Vergehendes) und steht in Wechselwirkung mit der „restlichen“ materiellen Welt. Das Materielle in der menschlichen Gesellschaft sind seine wirtschaftlichen Beziehungen, die aus dem Entwicklungsstand der „Produktivkräfte“ erwachsen: Die Menschen treten in „Verkehrsverhältnisse“ zueinander – und zwar so, wie die technischen Möglichkeiten einer Produktion entwickelt sind. Wenn wir also wissen wie viel und wie produziert wird in einer Zeit, wissen wir schon fast alles. Zumindest machen wir Fehler, wenn wir diesen Aspekt nicht mit betrachten.
Diese Verhältnisse also bilden einen Rahmen, der langfristig die menschliche Entwicklung bestimmt und der gesprengt werden muss, wenn er dem Entwicklungsstand der Produktivkräfte nicht mehr entspricht. Schließlich sind die einmal entstandenen Verhältnisse auch noch da, wenn die technischen Bedingungen der Produktion längst weiter entwickelt sind.
Das hat selbst für gebildete „Marxisten“ gemeine Fallstricke. Die Gesetze der menschlichen Gesellschaft wirken zwar in gewisser Weise wie Naturgesetze. Allerdings kann - so wie bei den Fallgesetzen Newtons die Erde (und der Gravitations-Gegenkörper) vorhanden sein muss - ein „gesellschaftliches Gesetz“ nur durch das Handeln von Menschen in der Gesellschaft existieren und funktionieren. Das aber ist wiederum nicht ohne ein bestimmtes Bewusstsein zu haben. Und das sind Beziehungen, die nicht der Schulmathematik entsprechen, weil das Handeln von Gruppen die Gesamtheit des Handelns der dazu gehörenden Menschen ist und jedes einzelne Bewusstsein durch mehr Faktoren beeinflusst wird, als für den konkreten Einzel-Fall relevant wären.
Sprich: Der Marxismus erfasst richtig den „Klassenkampf“ als Triebkraft der menschlichen Entwicklung. Aber obwohl es Interessen gibt, die große Menschengruppen aufgrund ihrer Stellung in der materiellen Produktion objektiv gemeinsam haben, die sie also zu „Klassen“ machen, heißt dies noch lange nicht, dass sie sich dessen bewusst sind und entsprechend handeln wollen – und dann handeln sie auch nicht. So wie die Existenz von Gravitation dort belanglos ist, wo es nur einen Körper gibt. Was aber hat das mit den Katastrophen des 20. Jahrhunderts zu tun?

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